«Sie kämpfen bis zum Konkurs»

Der Swissmetal-Werkleiter Henri Bols in Reconvilier kritisiert «rund 20 militante Mitarbeiter»

Source : Der Bund Online
Date : samedi 3 juin 2006
Auteur : Nicole Tesar
Copyright : Der Bund
Von Normalbetrieb kann kaum die Rede sein. 14 Wochen sind vergangen, seit der Streik im Swissmetal-Werk Reconvilier abgebrochen wurde. Leiter Henri Bols spricht über die gespannte Stimmung unter den Mitarbeitern und die Lieferprobleme.

 «Bund»: Herr Bols, der Angestelltenvertreter Nicolas Wuillemin droht mit neuen Kampfmassnahmen im Werk Reconvilier. Was läuft schief ?

Henri Bols : Nichts läuft schief. Ein Grossteil der 250 Mitarbeiter in Reconvilier will in Ruhe arbeiten können. Sie wollen vom Kampf nichts mehr hören. Sie fürchten um ihr Werk und ihre Stelle. Das ist die Realität. Ich sehe konkret, wie arbeitswillige Mitarbeiter von militanten Kollegen unter Druck gesetzt werden, nur weil sie ihre Arbeit korrekt machen.


Wer setzt sie unter Druck?

Einige wollen bis zum bitteren Ende kämpfen. Es gibt rund 20 Mitarbeiter, die das Werk boykottieren. Sie kämpfen bis zum Konkurs. Erst wenn Swissmetal konkurs gegangen ist, sehen sie ihr Ziel erreicht. In Betriebsversammlungen organisieren sie sich und versuchen, andere Mitarbeiter einzubeziehen. Sie träumen davon, dass mit dem Konkurs ein neuer Partner einsteigen würde, und sie so das Werk verselbständigen können.

Was können Sie dagegen tun?


Meine Aufgabe ist, das Werk wieder in Gang zu bringen und die Produktion wieder zu normalisieren. Denn wir haben viel Rückstand. Das Ziel ist, die Kunden so rasch als möglich zu beliefern. Unsere Termine sind noch zu lang. Monatlich haben wir mehr als 30 Prozent weniger Auftragseingänge seit dem einmonatigen Streik im Februar. Die Situation hat sich aber bereits ziemlich stabilisiert. Jetzt geht es darum, die verlorenen Kunden zurückzugewinnen. Reconvilier soll nicht nur überleben, sondern sich auch weiterentwickeln. Zahlreiche technische Entwicklungen sind mit dem Investitionsbudget von mehreren Millionen Franken in den nächsten fünf Jahren vorgesehen.

Ist das nicht etwas einfach, die Ausfälle im Werk auf die rund 20 Mitarbeiter zu fokussieren?


Diese Mitarbeiter haben Einfluss. Sie gehen durch die Gänge und Abteilungen und machen Versammlungen, bei denen sie versuchen, andere Mitarbeiter zu überzeugen, nicht mehr mit Swissmetal zu kooperieren. Diese Gruppe sollte die Meinung der Mehrheit respektieren. Wir haben zudem immer noch andere Schwierigkeiten. Die Kommunikation ist manchmal etwas schwierig, weil sehr emotional diskutiert wird. Anderseits arbeiten wir mit einer Hierarchiestufe weniger, weil die 21 Kaderleute entlassen wurden. Das vereinfacht Prozesse und wir sind näher bei den Mitarbeitern und entsprechend auch näher bei den Problemen. Gegenüber Dornach bin ich dadurch in Reconvilier sogar besser über Einzelheiten informiert. Ich bin mindestens zwei Tage pro Woche in Reconvilier.

Dann sind die Kaderstellen also nicht besetzt?


Nein. Kaderleute von Dornach haben die Arbeit übernommen. Aber es ist natürlich schwieriger von Dornach aus die Produktion zu steuern, als wenn die Kader vor Ort wären. Die gegenwärtige Organisation ist provisorisch, damit wir möglichst rasch die Produktion hochfahren können. Ich bin aber daran, eine stabile Organisationsstruktur aufzubauen, bei der auf mittlerer Kaderstufe die Leute voll vor Ort tätig sein werden. Ein Werk muss Kaderleute haben, die vor Ort sind. Wir suchen also neue Kaderleute – aber wir brauchen nicht 21.

Stehen gewisse Maschinen still, weil zu wenig Rohmaterial vorhanden ist?

Rohmaterial ist im Moment sehr teuer. Wir wollen mit einem möglichst tiefen Lagerbestand arbeiten, um das Umlaufvermögen nicht übertrieben gross werden zu lassen. Wir versuchen, die Bestände bis an die Grenze des Möglichen zu optimieren. Da kann es schon ausnahmsweise vorkommen, dass eine Schicht ein paar Stunden stillsteht. Wir arbeiten daran, den Materialfluss und das Lagerhaltungsoptimum weiter zu verbessern.


Wie viele Mitarbeiter sind noch krankgeschrieben?

Gegenüber dem letzten Monat sank die Abwesenheit um rund 30 bis 50 Prozent, also auf fast normale Werte.

Das heisst, jetzt sind es noch rund 30 bis 40 Mitarbeiter?

Jetzt liegen wir deutlich unter den 60 krankgemeldeten, wie sie Konzernchef Martin Hellweg noch Ende April bezifferte. Ich will keine konkrete Zahl nennen. Denn diese Zahl hat bei uns intern zu viel Polemik und Unruhe ausgelöst.

Die Produktion ist also nicht eingeschränkt, weil zu viele Angestellte krankgeschrieben sind?

Für einige Mitarbeiter war die Kündigung ein Schock. Ich kann verstehen, wenn jemand einige Tage Erholung braucht, um nach einem solchen Schock wieder auf die Beine zu kommen. Es gab aber tatsächlich Leute, die das mit der Abwesenheit übertrieben haben.


Der Mediationsprozess ist immer noch im Gang. Wie sahen die Treffen mit dem unabhängigen Experten Jürg Müller aus?

Ich habe persönlich viel mit Jürg Müller zusammengearbeitet. Das war eine sehr gute Zusammenarbeit. Er ist jemand mit viel Erfahrung. Müller hat viele Mitarbeiter getroffen und das Werk mehrmals besucht.



Widerstand bleibt


Obwohl der einmonatige Streik im Werk Reconvilier bereits vor 14 Wochen niedergelegt wurde, hat sich die Lage nicht beruhigt. Die Zerwürfnisse sind nicht beigelegt. Angestelltenvertreter Nicolas Wuillemin befürchtet, dass es in absehbarer Zeit nur noch 60 Stellen geben wird. Es seien Produktionsverlagerungen geplant, die über das industrielle Konzept mit den Standorten als spezialisierte Kompetenzzentren hinausgingen. Anlass zu diesen Befürchtungen gebe eine 23-seitige Liste mit Produkten, deren Herstellung nach Dornach SO oder ins deutsche Lüdenscheid verschoben würden, wie Wuillemin gegenüber dem «Bund» sagt.

«Das mit den 60 Mitarbeitern war ein Versprecher meinerseits im Westschweizer Fernsehen im Januar», sagt Swissmetal-Kommunikationschef Sam Furrer. Er sei damals völlig überarbeitet gewesen und Französisch sei halt nicht seine Muttersprache. «Der Versprecher wird jetzt als Munition benützt.» Swissmetal halte an den 150 bis 200 Stellen in Reconvilier fest. Bei der 23-seitigen Liste handle es sich um einzelne Aufträge und nicht um definitive Verschiebungen. «Die Werke arbeiten immer mehr zusammen, damit wir die Lieferfristen verbessern können.»

Demonstration am 10. Juni

Die Solidarität mit den Angestellten im Werk Reconvilier ist nach wie vor gross. Ein lokales Komitee bereitet für das Wochenende vom 10. und 11. Juni Solidaritätsveranstaltungen in Reconvilier vor. Am 10. Juni soll eine nationale Demonstration stattfinden.
Auch die Generalversammlung von Swissmetal vom 30. Juni wird nicht frei sein von Widerstand. Eine Gruppe um drei ehemalige Kaderangestellte mobilisiert Aktionäre per Zeitungsinserat. Sie rufen zur «geschlossenen Opposition zur Politik von CEO und Verwaltungsrat» auf. Auf Anfrage sagt einer der Ex-Angestellten: «Wir werden verschiedene Fragen stellen; über den Inhalt wollen wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht äussern.»
Trotzdem ist das Mediationsverfahren nach wie vor in Gang. Jüngst hat der unabhängige Experte Jürg Müller seinen Bericht über das Werk Reconvilier an die Mediationsparteien abgegeben, wie Furrer bestätigt. Im Juni werde wieder ein Treffen mit dem Mediator Rolf Bloch stattfinden.

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